Jahresgabe

Ohne Titel (Raischainas)

Abraham David Christian

Für den Kunstverein Ruhr hat Abraham David Christian 2020 fünf Zeichnungen ausgewählt, die in den Bergen Graubündens entstanden sind. Doch wollen uns diese reduzierten Blätter etwa Landschaftsimpressionen aus der Südostschweiz zeigen? Sie stehen mit ihrer Reduktion, Mehrdeutigkeit und zugleich Singularität eher für eine universelle, Kulturen und Kontinente übergreifende Formensprache. Abraham David Christian ist in der Tat auf mehreren Kontinenten unterwegs und erfährt auf seinen Reisen Formen, Zeichen und Bilder, die sich ihm wie von selbst einprägen, gleichsam zur Ein-Bildung gelangen. Seine Arbeiten entstehen am Ende in Meditation, sie bilden nichts ab, sondern kommen zustande, werden sichtbar durch Selbst-Vergessen und Konzentration auf das Entstehende. Er-Innern wäre im Kontext dieser Bildfindung ein schönes mehrdeutiges Wort, meint es doch auch den Rück-Griff auf innere Bilder, die irgendwann einmal zur Ein-Bildung gelangt sind. Natürlich kann man diese Zeichnungen und ihre subtilen Linienverläufe, Bogenformen, mäandrierenden, sich überlagernden Kurven beschreiben, umschreiben, benennen – und trifft doch niemals das, was sie eigentlich sind oder sein können. Sie sind keine bildhaften Entsprechungen einer empirisch erfahrbaren Realität, sondern sondern lösen etwas in uns aus, lassen es gleichsam anklingen. Sie berühren innere Bilder, bereits vorhandene Vorstellungen und wirken gerade wegen ihrer Mehrdeutigkeit und Offenheit überhaupt nicht fremd oder irritierend. Sie lassen erahnen, dass alle Formen und Zeichen als Gewordene gleichzeitig da sind, dass es keine Hierarchien oder solitäre Nutzungsrechte des Einen gegenüber dem Anderen gibt. Deshalb ist das, was wir hier sehen, bei uns, aber auch anderswo in der Welt gleichzeitig zuhause.